Motivation

Biyon: "Glück heißt, zu akzeptieren, was man nicht ändern kann"

Er ist promovierter Wirtschafts-Ingenieur, erreicht mit seinem Instagram-Account mehr als 400.000 Menschen und mehr als 230.000 Fans abonnieren ihn auf Youtube — und dennoch hat der Hagener Biyon Kattilathu (36) in den vergangenen Wochen wieder die Schulbank gedrückt.
Im Hagener Bildungszentrum der SIHK Akademie hat Dr. Kattilathu, den seine Follower nur als Biyon kennen, seinen AdA-Schein gemacht. „AdA“ steht für „Ausbildung der Ausbilder“ nach der Ausbildereignungsverordnung (AEVO); die entsprechende Eignungsbescheinigung benötigt jeder, der im dualen Bildungssystem Menschen in der Berufspraxis ausbilden will. Wir haben Biyon Kattilathu nach der letzten Stunde vor der Prüfung getroffen.
Im Gespräch präsentiert sich Biyon als sehr nahbarer, durchweg positiver Typ. Seine Ausstrahlung reißt mit. Der Dr. und der Wirtschafts-Ingenieur sind schnell weg: „Ich bin der Biyon. Freut mich, dich kennenzulernen.“
Welche Berufsbezeichnung würdest du dir selbst geben?
Ich bin Biyon. Das ist mein Beruf. Ich versuche mit allem, was ich tue, Menschen glücklicher zu machen. Wenn sie mein Buch lesen, sollen sie nachher ein bisschen glücklicher sein. Wenn sie zu meiner Show kommen, sollen sie mit einem Lächeln rauskommen. Man kann das schlecht in eine Schublade stecken, ob es nun Social Media Marketing ist oder Autor… das reißt alles nur ein bisschen an. Ich bin der Biyon. Freut mich, dich kennenzulernen (lacht).
Warum machst du als promovierter Wissenschaftler einen Ausbilderschein?
Während der Promotion wusste ich noch gar nicht, wo es hingehen sollte. Irgendwann habe ich mein Thema gefunden, habe mich aber als Einzelkämpfer gesehen. Es sind aber immer mehr und mehr Unternehmensstrukturen dahinter gewachsen. Es kamen die ersten Mitarbeiter und die ersten Praktikanten. Das war dann der ausschlaggebende Punkt, weil ich die Leute, die ein Praktikum machen, mit einer Ausbildung weiter fördern möchte. Gerade habe ich ein ganz konkretes Beispiel dafür, und um das realisieren zu können, mache ich jetzt den AdA-Schein. Daumen drücken! (lacht)
Wie hat dir der Kurs gefallen?
Es hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich habe richtig viel gelernt und einige Dinge wieder aufgefrischt. Ich habe tolle Leute kennengelernt. Und ich bin früher aufgestanden als sonst. Erstaunlich, was man alles schaffen kann, wenn man früher aufsteht (lacht).
Wie kam es zum Wandel vom Ingenieur zum Motivations-Coach?
Wenn du einen indischen Papa hast, hast du zwei Möglichkeiten: Entweder wirst du Arzt oder Ingenieur (lacht). Ich habe dann studiert, aber mit einem falschen Glaubenssatz. Ich habe immer geglaubt, dass Dinge wie Studium, Ausbildung oder Beruf keinen Spaß machen müssen. Der Spaß fängt im Feierabend an. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das, was ich tue, Spaß machen muss. Bei einem Praktikum habe ich gemerkt, dass ich gerne promovieren würde, um mich weiterzubilden. Aber da hatte ich schon entschieden, mein eigenes Ding zu machen.
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War es schwierig, die Eltern von dem Wechsel zu überzeugen?
Das ist es immer noch! Teilweise fragen die sich, was der Junge da macht, warum ich mein Handy raushole, warum 1000 Leute zu meiner Show kommen. Das ist für die nicht ganz greifbar. Das ist okay, weil es eine Frage der Werte ist. Meine Eltern kommen aus der Landwirtschaft in Indien. Wenn es da ein paar Tage nicht geregnet hat, dann gab es nichts zu essen. Es ist klar, dass man dann ganz viel Sicherheit im Leben haben möchte. Bei mir ist das anders. Ich bin in Deutschland geboren, und die Sicherheit war gefühlt immer da. Manche Dinge verstehen meine Eltern aber mittlerweile. Wenn ich ihnen bei Thalia ein Buch von mir zeige, dann verstehen sie, dass ich Geld damit verdiene. Die Hauptsache ist, dass ich happy bin. Wenn sie das sehen, sind sie auch happy.
Kann jeder einfach so umsatteln?
Wofür schlägt mein Herz? Wir können im Leben nicht zehn Dinge studieren, zehn Ausbildungen machen oder zehn verschiedene Wege gehen. Man muss sich schon entscheiden und dann fragen: Macht der Weg mir Spaß? Wir denken oft in Wenn-Dann-Strukturen. Wenn ich eine Ausbildung mache, dann bin ich happy. Der Weg muss aber schon Spaß machen. Es gibt immer Dinge, die keinen Spaß machen, schwierige Prüfungen zum Beispiel. Aber man muss sich dann sagen: Ich hab da Bock drauf. Das ist die große Frage der Motivation. Da steckt das Wort „Motiv“ schon drin. Was ist mein Motiv, um morgens aufzustehen? Was ist das Motiv für den Job? Wenn man das ganz klar beantworten kann, dann hat man Motivation.
Wie kann man das trainieren?
Man kann bewusster werden und sich öfter fragen, warum man etwas macht. Warum mache ich einen AdA-Schein oder studiere? Mit jedem Warum kommt man der Lösung einen Schritt näher. Es kann sein, dass man irgendwann merkt, dass man einen anderen Weg gehen möchte. Es kann auch sein, dass man 20 Jahre in seinem Beruf bleibt. Wichtig ist, Entscheidungen zu treffen.
In der Corona-Zeit ist mehr denn je gefragt. Wie erreicht man die?
Ich glaube, Glück heißt, zu akzeptieren, was man nicht ändern kann. Wenn wir uns über Regen aufregen, können wir uns zwar aufregen – aber es regnet trotzdem weiter. Ich kann lieber lernen, im Regen zu tanzen. So ist es auch jetzt. Ganz wichtig ist mir: Manchmal kann man nach außen nichts verändern, also kann man die Zeit nutzen, um nach innen etwas zu verändern. Wie kann ich jetzt stärker werden? Wie kann ich mich ein bisschen verbessern? Ist es eine Weiterbildung? Ist es ein Buch? Ein Gespräch? Eine Bewerbung? Oder, oder, oder.
Dafür haben viele keine Zeit...
… Ja, aber die Leute nehmen sich ja auch Zeit, sich zu stressen. Natürlich hat jeder einen gewissen Stress und Zeitdruck. Das ist bei mir ja nicht anders. Man muss zwischen dringend und wichtig unterscheiden. Viele Menschen kümmern sich um die dringenden Dinge, aber nicht um die wichtigen. Oder sie schieben die wichtigen Dinge so lange auf, bis sie dringend werden. Wichtige Dinge – egal, ob eine Weiterbildung, Gesundheit oder Sport – müssen wir terminieren. Hey, heute nehme ich mir Zeit für mich. Übermorgen gehe ich in den Wald. Freitag spreche ich mich mit meiner Freundin aus. Man muss sich ganz konkret die Zeit dafür nehmen.
Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Albert Einstein hat gesagt: „Wenn du immer das Gleiche tust, aber etwas Anderes erwartest, dann bist du wahnsinnig.“ Das heißt doch nur, dass wenn ich abends unzufrieden bin und am nächsten Tag das Gleiche tue wie am Vortag, werde ich abends wieder unzufrieden sein. Dabei reicht es oft, eine Nuance zu ändern. Man muss sich nicht um 180 Grad drehen. Ein Grad reicht. Der Wind der Chancen weht für alle gleich.
Welche Lehren können wir aus der Corona-Situation ziehen?
Ganz viele. Diese Situation zeigt ja ganz viele Missstände auf. Auch bei uns persönlich. Gefühle, die man jetzt erlebt, zum Beispiel Wut oder Hoffnungslosigkeit oder Trauer – die waren ja schon vorher in uns. Keine Pandemie kann dieses Gefühl in mich hineinpflanzen. Die Situation ist wie eine Lupe und vergrößert ein Gefühl. Ich kann mich also fragen, warum ich vorher schon diese Gefühle hatte. Wieso habe ich mir vorher keine Zeit für meine Eltern genommen? Warum habe ich meine Freunde früher nicht so geschätzt wie heute? Man kann sehr stark reflektieren, welches Gefühl gerade angesprochen wird und was man daraus gelernt hat – privat wie beruflich. Als meine Tour abgesagt werden musste, habe ich mich gefragt, wie ich mich digital besser aufstellen oder Produkte entwickeln kann, die den Menschen genau jetzt helfen.
Klar, man kann auch mal eine Woche lang traurig sein. Aber danach sollte man aufstehen und sagen: Okay, wie kann ich jetzt das Bestmögliche geben für mich und mein Leben – und das Leben anderer Menschen?